JOCHEN JAENNICKE – DIE BRIEFTAUBE

Zwei Jahre nach seiner Flucht aus Eberswalde im April 1945 macht sich der ehemalige Schüler Jochen Jaennicke auf die Suche nach seinen alten Kameraden, um gemeinsam mit ihnen noch einmal in Erinnerungen schwelgen zu können. Eingeschränkt durch die neuen Besatzungszonen, schickt er dafür ein altes Schulheft herum, genannt „Die Brieftaube“, und sammelt darin über die Jahre hinweg die ganz persönlichen Geschichten seiner Freunde über das Ende des Zweiten Weltkriegs, die Nachkriegsjahre und die immer offensichtlichere Trennung von Ost- und Westdeutschland.

Fünfzehn Schüler beobachten in diesen authentischen Briefen eine Ära deutscher Geschichte, über die auch heute noch kaum etwas bekannt ist, jeder aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel.


WERNER LEUSCHER & STEFAN HEIKENS – HELLE NÄCHTE, DUNKLE TAGE

Als achtjährige Halbwaise durch bloßen Zufall von seiner Familie getrennt und schwer traumatisiert, erlebt der kleine Wernerle das Ende des Zweiten Weltkriegs alleine und tief versteckt in Feindesland. Erst Jahre später wird er nach einer atemberaubenden Flucht zu ihnen zurückfinden können, doch da ist es für ihn bereits zu spät. Zwar überlebt er Hunger, Kälte und Erschießungen, doch auch siebzig Jahre später ist die Flucht für ihn noch lange nicht vorbei. Er ist ein Suchender geblieben, einer der letzten seiner Generation. In diesem Buch erinnert er sich in Form von Gedichten, Texten und Zeitdokumenten an seine Kindheit und erzählt erstmals seine ganze, unglaubliche Geschichte.


DR. FRIEDRICH RIEMANN – …WÄHREND ANDERE BLUTEN!

„Um 5 Uhr wurde zum Kampf angetreten. Leider mußte ich bald in Tätigkeit treten. Vormittags fiel dann auch der Kommandeur einer Artillerie-Abteilung durch Volltreffer einer feindlichen Granate in eine Geschützbedienung. So geschehen vor meiner Nase; einigen konnte ich nicht mehr helfen.“

In seinen hier vorliegenden Feldpostbriefen schildert der Mediziner Friedrich Riemann über zwei Jahre lang seinen Alltag an der kroatischen Front. Umgeben von Partisanen, verstrickt in Machtkämpfe mit Kollegen und Vorgesetzten und fern der Heimat berichtet er seiner Verlobten Margarete von seinen Fronterlebnissen. Ein Stück deutscher Zeitgeschichte, wie es ehrlicher und authentischer nicht sein könnte.


KLAUS HEINE – SONST GEHT ES MIR NOCH GUT

Nun setzt das Feuer erst richtig ein. In einem Bunker suchen wir Schutz. Da kommt die Meldung durch: Der Russe ist eingebrochen! Sofort machen wir unsere Geschütze feuerbereit. Alle schleppen Munition herbei, ich auch. Wir schießen, was die Rohre nur hergeben. Der Stellungs-Uffz., der Geschützführer und ein Mann fallen …

Im März 1943 wird der erst 18-jährige Funker Klaus Heine zum Einsatz an die russische Front geschickt. Zwei Jahre lang schreibt er von dort regelmäßig an seine Familie daheim in Frankfurt, und man kann anhand seiner Schilderungen hautnah miterleben, wie aus dem einst fröhlichen Jungen ein abgekämpfter Frontsoldat wird, der das Ende des Krieges trotz aller Hoffnungen und Träume scheinbar nicht mehr erleben darf. Klaus Heine schreibt seinen letzten Brief aus einem unter Beschuss stehenden Lazarett, am 1. Advent 1944.


GÜNTHER HAARMANN – VIELE STEINE GAB’S UND WENIG BROT!

Als Deutschland am 8. Mai 1945 bedingungslos kapituliert, legt Günther Haarmann seine Waffen nieder und geht in die für ihn unausweichliche Gefangenschaft. Endlich scheint der Krieg für ihn zu Ende zu sein. Doch während die Zeit für ehemalige Soldaten wie Günther in den Lagern weiterhin stillsteht, wird in der Heimat schon wieder zügellos gelebt und geliebt. Dabei wird die Kluft zwischen den Gefangenen und ihren Familien zuhause von Tag zu Tag größer. Dieses Buch enthält beide Seiten des Schriftverkehrs und bietet somit einen unglaublich authentischen und umfassenden Einblick in eine bisher kaum wahrgenommene Epoche deutscher Geschichte.


ERICH HELLERSTIEG – DAS SCHIFF IST GEFECHTSKLAR

Das Schiff ist gefechtsklar, diese Worte notiert Erich Hellerstieg am 16. September 1943 begeistert in sein Logbuch. Er brennt darauf, endlich in die Schlacht zu ziehen, denn die trügerische Berichterstattung des dritten Reichs hat den jungen Mann schwer beeindruckt. Und so kann man in seinem Logbuch nicht nur seine militärische Ausbildung verfolgen, sondern auch immer wieder Zeuge davon werden, wie die deutsche Propaganda zu dieser Zeit funktionierte. Das Ende der sechsten Armee bei Stalingrad, die Gefangennahme Mussolinis, die Frage nach dem ‚totalen Krieg‘, all das notiert er nicht nur, er kommentiert es auch und lässt uns so einen tiefen Einblick in das Denken jener Zeit werfen.


ROLF HAGEN – ES GEHT UNS ALLEN ZIEMLICH DRECKIG!

Was bedeutet es wenn nun auch der letzte der Offiziere des Bataillons gefallen ist, die ich vor Petersburg damals beim Bataillon im Frontdienst antraf? Wenn die SS ein Massengrab für über hundert Leute hier bei der Kirche sprengt? Wenn sich die Gräber am Lazarett mehren und mehren und sich die toten Soldaten stapeln wie Holz, bis wieder mal ein großes Loch gesprengt wird? Es ist furchtbar und doch so alltäglich, dass man völlig abgestumpft es nicht mehr empfindet.

Leutnant Rolf Hagen, der im September 1941 von Frankreich aus direkt nach Russland versetzt wird, berichtet in seinen hier vorliegenden authentischen Feldpostbriefen von seiner Zeit an der Ostfront. Den Angriff auf Kalinin, einen der letzten deutschen Erfolge während des Zweiten Weltkrieges, macht er dabei genau so mit wie die Verteidigung von Rschew, einer Schlacht gewaltiger als die um Stalingrad. Immer wieder versucht er, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, doch hin und wieder scheint er in Rolfs Briefen durch: der Wahnsinn des Krieges.


FAMILIE FREIMANN – MAN MÖCHTE DOCH JETZT NOCH NICHT STERBEN!

‚Es ist alles so schrecklich, auch die armen Ost-Flüchtlinge sind zu bedauern. Nun wird unser restliches Deutschland, was schon die Menschen bisher nicht ernähren konnte, mit den Ausgewiesenen vollgestopft, wo soll da mal ein Aufstieg möglich sein, wir sind zweihundert Jahre zurück- geworfen. Weshalb schneiden sie nun überall Teile von Deutschland ab, können Sie uns denn nun nicht Gelegenheit geben, uns wirklich auf demokratischer Grundlage in die übrige Welt einzugliedern, so ist doch alles wieder schlimm und kein Ende abzusehen.‘

Hunger, Zonengrenzen und Perspektivlosigkeit bestimmen den Alltag fast aller Deutschen im ersten Nachkriegswinter. Wer lebt und wer stirbt, das entscheiden oft nur noch der Zufall oder die Verbindungen, die man eben hat; so wie auch bei den Eheleuten Freimann. In den hier vorliegenden authentischen Briefen an ihren Sohn erfahren wir fast alles über ihre Not, den Alltag und auch die tägliche Angst vor dem Tod, noch lange nach dem das Schießen bereits aufgehört hat.


GEORG HOPFER – WENN ICH AUCH NICHT BEI DIR SEIN KANN

Ja Emma, wenn ich so zurück denke an unseren Urlaub, bekomme ich Heimweh nach Dir und die schönen Stunden, wo so rasch wie ein Traum vorbei flogen, aber die Erinnerung bleibt, und wenn es Jahre dauert, so werde ich sie nie vergessen. Es ist ja fast zum Weinen, wenn wir an unsere Jugend denken. Was haben wir davon gehabt, so viel wie gar nichts. Aber einmal muss für uns auch Frühling werden, wo wir dann unser eigener Herr und Meister sind, und das erst recht bald, wenn der Krieg zu Ende ist.

Kurz nachdem der Bauer Georg Hopfer seine Emma kennengelernt hat wird er zum Militär eingezogen, ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Während er also in Russland kämpft, dabei erst gegen Moskau vorrückt und später dann über den Kuban-Brückenkopf flieht, versucht er seine Emma in zahlreichen Briefen von seinen Gefühlen zu überzeugen. Liebe in Zeiten des Krieges, ein fast unmögliches Ding, wie auch Geog feststellen muss.


LEOPOLD BIGL – GESTERN WAR WIEDER DER HERRGOTT BEI MIR

Wir zogen in ein Kaff, das schon dreimal von den Russen bombardiert wurde, ein. Um ½ 7 Uhr kamen die Hunde wieder, zehn Bomber und drei Jäger. Keine Flieger von uns zu sehen, und keine Flak zu hören. Kamen wie bei einer Parade angeflogen, und warfen ca. dreißig Bomben ab. Fünfzehn in unserer Nähe, in einer Entfernung von 10-15 Metern. Nun da war mir aber anders, da hat die Erde nur so gezittert, um uns spritzte der Dreck, dass es eine Freude war. Waren zwei Mann, siebzehn Pferde und zwei Kinder tot. Jetzt bin ich wieder froh und gesund …

Der Wiener Leopold Bigl wird 1942 zur deutschen Wehrmacht eingezogen, und von München aus nach Russland an die Front geschickt. Dort baut er Fernmeldeleitungen, und kann sich die Schrecken des Krieges in den ersten Monaten scheinbar noch recht gut vom Leibe halten. Doch Brief für Brief lässt sich verfolgen, wie sich die Kriegslage über die Monate hinweg kontinuierlich verschlechtert, und wie der Kampf ums nackte Überleben für Leopold immer mehr in den Mittelpunkt rückt.


HORST HANDKE – GELEBT HABE ICH IN DIESEN TAGEN

Wir haben, als wir draußen auf See waren, auch Fische gefangen. Aber auf eine andere Art und Weise. Und zwar so: Wir hatten noch einige alte Wasserbomben an Bord, die sollten unbedingt weg. „Wumm, Wumm“ machte es zweimal. Der Pott ging sofort auf Gegenkurs, um an die Wurfstelle zurückzukommen. Und dort sahen wir die Bescherung. Fische aller Art und Größe wimmelten da an der Wasseroberfläche herum. Die Seemänner gingen sofort mit Flößen und Booten außenbords und brauchten nur so zu fischen, was bei dem Seegang nicht gerade leicht war„.


Als Horst Handke 1943 zur Unteroffiziersausbildung in die Marineschule in Mürwik einrückt ist er jung und voller Tatendrang. Mit Begeisterung schreibt er seinen Eltern zahlreiche Briefe, in denen er nicht nur den Schulalltag in Mürwik schildert, sondern auch das Leben auf den Zerstörern „Z-34“ und „Z-28“, auf die er während seiner Ausbildung versetzt wird! Nahtlos lässt sich so sein Werdegang verfolgen – bis zur Versenkung von „Z-28“ am 6. März 1945, nur fünf Tage nach Horsts letztem Brief.


FRITZ KALSCHE – DU WIRST MICH DOCH NICHT VERGESSEN?

Was fühlt man, wenn man als 18-jähriger in die Wehrmacht eintritt und dort schon bald grausamste Verbrechen verübt? Ist es Stolz? Hass? Scham?

Nachdem Fritz Kalsche 1941 in Russland fällt, macht sich sein Vater auf die Suche nach der Antwort auf genau diese Frage. Er sammelt die Feldpostbriefe seines Sohnes, durchforstet Schulaufsätze und liest die letzten Tagebucheinträge aus dem Felde, um sich von seiner Trauer abzulenken. Doch dabei wird ihm schon bald klar, dass diese Antwort gar nicht so leicht zu finden ist. Wie vielschichtig das Denken seines Sohnes war, beweist dieses Buch, zusammengestellt aus Originaldokumenten und kommentiert vom Vater in dem Bestreben, die Erinnerung an seinen Jungen lebendig zu halten. Ein authentisches Zeitzeugnis, das uns alle angeht.